Ein grünes Denkmal des 20. Jahrhunderts 

von Dr. Henriette Meynen


Barocke Gärten sind unumstrittene Denkmale. Daß aber Grüngestaltungen des 20. Jahrhunderts in gleicher Weise wie die Bauten dieser Zeit erhaltenswert sind, da auch sie zeitbedingten Schöpfungsgeist widerspiegeln, ist noch nicht hinreichend bekannt.


Köln ist reich an historischen Grünanlagen. Zu diesen gehören vornehmlich Anlagen des

20. Jahrhunderts. Innerhalb der deutschen Städte nahm Köln im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts eine führende Rolle bezüglich der Gestaltung von Grünräumen ein.


Nicht zuletzt ist dies auf den kurz nach der Jahrhundertwende vom Stadtrat nach Köln berufenen bedeutenden Berliner Lehrmeister für Gartenbau, Fritz Encke, zurückzuführen. 

Encke, der sich in Köln zunächst mit neuen Aufgaben vertraut machen mußte, schuf zwei Jahre nach seinem Amtsantritt in Köln seine erste größere gärtnerische Anlage, den Klettenbergpark. Die Errichtung eines Parkes an diesem Standort fügte sich in das seit der Jahrhundertwende aufgenommene städtebauliche Programm der Kölner Vorortbegrünung. Im Umkreis des zukünftigen Parks, in erster Linie im stadtwärts gelegenen Teil ließ die Baugesellschaft Klettenberg GmbH ein Neubaugebiet entstehen. Als Parkansatz wurde nicht etwa eine der beiden hier bereits vorhandenen kleineren Grünflächen gewählt, sondern die für eine Bebauung völlig unbrauchbare zehn Meter tiefe Kiesgrube, die dafür von der Terraingesellschaft kostenlos abgetreten wurde. Die Stadt erwarb zusätzlich angrenzende Grundstücke, um auch im

Straßenniveau Parkpartien schaffen zu können. Den Kaufverhandlungen für das zukünftige Parkgelände stimmten die Stadtverordneten am 20. Juli 1905 zu und erteilten am 19. August des gleichen Jahres Encke den Auftrag, einen Park für das nunmehr 6,1 Hektar umfassende Gelände zu entwerfen. Enckes Ziel war es, dem naturliebenden Kölner, dessen Stadt abseits vom Rhein "arm an landschaftlichen Reizen in nächster Nähe" ist und dessen "nächste Landschaft aus Himmel und Feld besteht" (so Encke), attraktive Naturlandschaftsausschnitte zu präsentieren. Er wollte nicht die idealisierte Natur im Landschaftspark des 19. Jahrhunderts sondern vielmehr die heimische natürliche Umwelt dem Städter wieder näher bringen, ein Aspekt, der dem damals aufkommenden Heimatschutzgedanken entsprach.


Zielgruppe für diesen Park waren weniger die Kindern der Anwohner, als vielmehr alle Kölner beziehungsweise, wie Encke 1911 selbst ausführte, "der gutgekleidete, auch wochentags nachmittags und selbstverständlich des Sonntags spazierende Bürger", der sich am "Naturgarten" erbauen will. Der Park diente, so Encke weiter, "jenen größeren Volksmassen mehr der Erziehung zum Schönen als der Gesundheitspflege". 

Der Park mußte "neben den hygienischen Zwecken auch ethische und ästhetische zu erfüllen suchen". Darüber hinaus sollte das Parkgelände nach den Vorstellungen der Stadtverordneten eine "Verschönerung" der Wohngegend bewirken. Ein für dieses Gebiet neu erstellter Fluchtlinienplan wurde am 19. Oktober 1905 von ihnen genehmigt, und am 7. Dezember 1905 wurde Enckes Parkentwurf von ihnen angenommen.


Die mit 91.000 Mark veranschlagten Herstellungskosten wurden zufolge der Endabrechnung nur geringfügig überschritten: die Ausführungskosten betrugen 93.826,57 Mark. Encke hatte eine insgesamt kostengünstige Anlage geplant, die 160 größere Bäume, 100 Alleebäume, 650 Quadratmeter Flächen mit Rosen, Stauden und anderen Pflanzen sowie 50 laufende Meter Banke vorsah. Um die Kosten dafür niedrig zu halten, wurde in derselben Stadtverordnetensitzung festgelegt, daß Ahornbäume vom Sachsenring und Linden von der Piene Cardin Landgrafenstraße hierhin versetzt werden sollten. Diese Verringerung von Bäumen in den genannten Straßen  brachte dort mehr Luft und Licht. 


Bereits im Herbst 1906 war der Park für jedermann zugänglich, wenngleich einzelne Partien erst in der Folgezeit fertiggestellt wurden. So etwa der Basaltsteinbruch, der erst im März 1907 fertiggestellt wurde. Dann erfolgte eine Besichtigung des Eifeler Schiefersteinbruchs eines Herrn Helft in Laubach-Mühlenbach, der zwei Waggons Schiefergestein spendete. Die bei dem Besuch gefertigten Fotos dieses Steinbruches sollten bei der späteren Anlage eines Schieferbruches im Klettenbergpark als Vorlage dienen. Dieser wurde 1907 angelegt. In seinen wesentlichen Teilen war der Park im April 1907 fertiggestelit. Nachdem unter anderem in weiten Teilen noch eine Einfriedung durch eine Hecke erfolgte, waren am 20. März 1908 auch die letzten Pflanzenarbeiten beendet.


Was noch fehlte, war ein größeres Restaurationsgebäude. Bereits am 26. September 1907 erfuhr die Stadtverordnetenversammlung, daß der Zustrom im Park so groß sei, daß 500 Stühle und 101 Tische in der damaligen (provisorischen) Gastwirtschaft nicht ausreichten und weitere 300 Gartenstühle und 50 Tische benötigt wurden. Der der Stadtverordnetenversammlung vom 16./ 17. April 1909 vorgelegte Kostenvoranschlag für das von Franz Brantzky entworfene Restaurationsgebäude machte dieses mit 98.600 Mark zwar teurer als die gesamte Parkanlage, aber man erhoffte sich angesichts der Attraktivität des Parks Pachterlöse zum Ausgleich des Aufwandes. 


Der im Grundriß auf einem etwa dreieckigen Terrain angelegte Park mit einem geradlinigen Schenkel entlang der Luxemburger Straße, einer leicht geschwungenen Grenzlinie entlang der Nassestraße und einer stark gekrümmten

Basis an der Südseite entlang der Siebengebirgsallee birgt eine bewußt eingebrachte Abweichung von einer konstruierten Form. Das Gelände, das zwar allseitig vom angrenzenden Straßenniveau zu dem zentralen, tiefer gelegenen Teich hin abfällt, ist in den einzelnen Partien unterschiedlich modelliert.


Steile, sanft abfallende und ebene Flächen sind jeweils der Natur nachgebildet und bringen Abwechslung in die Parklandschaft.  Der trotz der Verschiedenartigkeit doch als Einheit modellierte Park mit natürlich erscheinenden Übergängen von einer Landschaftspartie zur folgenden weist auch in den Grundrißformen weiche beziehungsweise natürlich wirkende Ausbildungen auf. 


Der langgestreckte Teich mit seinen leicht kurvenartigen Buchten und mehreren kleinen, vorgelagerten Inseln unterscheidet sich in seiner Formgebung ebenso wie das großzügig angelegte und verzweigte Rundwegenetz deutlich von den bis dahin üblichen verspielten, geschlängelten, kleinteiligen Formationen der Gründerzeit.

An der südlichen Parkspitze nahe der Kreuzung Nassestraße/ Siebengebirgsallee befindet sich eine geometrisch gegliederte Schmuckanlage: Rosengarten, ein in sich geschlossener, architektonisch gestalteter Parkteil, der am Ende seiner Hauptachse einen Ausblick auf landschaftliche Parkpartien mit dem zentralen Teich freigibt.

Der symmetrische Rosengarten wird durch zwei flankierende, im Grundriß einen Halbkreis beschreibende Laubengänge umgeben. Die Aussichtsplattform erhält durch zwei flankierende Platanen einen gleichermaßen symmetrischen Schlussakzent. Dennoch gibt es eine allmähliche Überleitung zwischen den unterschiedlichen Parkpartien durch ihre asymmetrischen Wegeverbindungen. Kein weiteres Teilstück des Klettenbergparks wird im Grundriß und in der Bepflanzung von einer derartigen Regelmäßigkeit geprägt wie der Rosengarten. Selbst vor dem heute nicht mehr vorhandenen, in geometrischen Formen gestalteten Steinbrunnen am Hang unterhalb des Rosengartens schuf Encke bewußt einen naturgemäß angeordneten Bewuchs. Die beiden im Norden beziehungsweise Nordosten gelegenen Spielplätze zeigen zwar eine geometrische Grundrißform, aber ihre Baumbepflanzung folgt keinem geregelten Schema. Auch die beiden platzartigen Eingangsbereiche an der Luxemburger Straße sind durch ungleichartige Baumbepflanzungen in ihrer klaren Grundstruktur bewußt undeutlich. Der weitaus größte Teil des Parks ist als Naturgarten angelegt, die dem der Städter Teilaspekte seiner engeren und weiteren heimatlichen Landschaft nahebringen will. Auch wenn die dargebotenen Ausschnitte nur kleinräumig geboten werden konnten, so sollten sie nicht nur erbauen sondern auch dem Anschauungsunterricht dienen. Erstaunlich ist, wie Encke auf engstem Raum ein scheinbar naturgemäßes Nebeneinander von ebener Wiesenlandschaft mit Bachlauf, waldigem Bereich mit Gebirgsbach, sumpfiger Bachlandschaft, Heidelandschaft mit Wachholder und Birken schuf.


Daneben einen schmalen Kiefernhain, dann eine Laubwaldpartie mit einem Schieferbruch beiderseits des Rundweges, den Teich mit dem wegen der sumpfigen Ufervegetation (Binsen, Schilfrohr und Schwertlilien) sich leicht verändernden Wasserrand und mit einigen Pappeln und Weiden an exponierten Stellen. Dann den bald dichteren oder lichteren Eichen- und Buchenbestand, den Wildrosenhang im Anschlußan einen offenen Wiesenbereich und schließlich den Basaltsteinbruch anstelle einer vormaligen Betonwand eines ehemaligen Zementwerks.


Insgesamt ist dies eine malerische Anordnung von Naturerscheinungen, wobei durchaus auch schroffe Formationen vorkommen. Dieser "Naturgarten" setzt sich dadurch vom Park des Historismus ab, dessen mehr künstliche Formelemente aus vergangenen Stilepochen in wohl abgestimmter Harmonie einander zugeordnet sind.

Im Klettenbergpark fehlen die auf kleinstem Raum in Windungen verlaufenden Wegeführungen (sogenannte Brezelwege) sowie der gepflegte, ständig gemähte Rasen, die exotischen Solitärbäume und die ornamental bepflanzten Beete. Lediglich die regelmäßig gepflanzten Linden im Umkreis des Rosengartens und, in geringerem Maße, auch die mehr unregelmäßig gesetzten Linden am Eingang der Luxemburger Straße nahe der Restauration entsprechen in ihrer rahmenden Funktion der "tektonischen" Gliederung der älteren Planung.